Ich beuge mich hinunter und lasse meine Hände in den kalten Fluss gleiten. Sie bilden ein kleine Mulde, die sich schnell mit Wasser füllt, dass klarer und reiner ist, als jeder Kristall. Für einen Außenstehenden mag es so aussehen als würde ich mich ehrfürchtig vor dem gigantischen Massiv aus Eis verbeugen. Und tatsächlich, so fühlt es sich auch von innen an.
Ich habe meine Hände zum Mund geführt und spüre wie das kalte Nass mir langsam die Kehle hinunterläuft. Es ist ein Geschenk des Gletschers für einen erarbeiteten Aufstieg, der abenteuerlicher nicht hätte sein können. Warum? Das erfährst du im Video.
Die Wanderroute
Wir biegen im kleinen Ort Odda ab und fahren entlang des Sees Sandvevatnet aus dem Ort wieder hinaus. Kaum haben wir das Ortsschild passiert verlassen wir das Seeufer und biegen in eine andere Welt ein.
Der wilde Fluss, der aus dem schmelzendem Eis des Buarbreen entsteht hat auf dem Weg zu seiner Mündung in den Sandvevatnet ein kleines Tal entstehen lassen.
Es ist ein Ort entstanden, der scheinbar grüner, scheinbar wilder und scheinbar vor einem Jahrhundert stehengeblieben ist.
Unser Nissan kämpft sich das Tal hinauf. Die Straße schlängelt sich durch Fels, Wald und Wiese und wird immer schmäler bis wir auf einen kleinen Parkplatz kommen. Eine Schranke, die gerne unsere Kreditkarte sehen will, reist uns jäh aus der Traumlandschaft Norwegens.
Wir haben Respekt vor dieser Tour. Es sind nicht viele Kilometer, die wir waagrecht zurücklegen, aber auf den wenigen Kilometer viele Höhenmeter in der Senkrechten.
Der Rucksack ist schnell gepackt, Nala ausgerüstet und wir folgen dem Weg in Richtung Gletscher.
Direkt hinter dem Parkplatz ist ein rustikaler Campingplatz in herrlichster Lage. Unzählige Camper und Busse stehen hier und ein paar freilaufende Schweine verstecken sich im Fluss unter einer Brücke vor der Hitze. Die Sonne brennt und der Himmel leuchtet blau. Wir haben beste Laune um das Projekt Buarbreen anzugehen.
Durch eine kleine Tür verlassen wir den Campingplatz und kommen dem Fluss näher. Hier haben Wanderer seit Jahrzehnten Steinmännchen errichtet. Ich greife mir einen Stein, wähle ein Männchen und erhöhe es um einige Zentimeter indem ich meinen Stein auf die Spitze stelle. Es soll uns Glück bringen.
Jetzt geht es steil bergauf. Wir wandern aber nicht wirklich auf einem Weg, sondern direkt in einem kleinen Bach, der wiederum durch einen kleinen Wald fließt. Es ist der einzige „Weg“, der uns in Richtung Gletscher bringt.
Wir sind uns unsicher ob man die Tour überhaupt mit Hund machen kann und stürzen uns daher auf die ersten Wanderer, die mit Hund schon wieder auf dem Rückweg sind und uns entgegen kommen. Die beiden Norwegerinnen haben einen weißen Schäferhund dabei und zu unserer Freude nicht an der Leine.
Wir tauschen uns kurz aus. Scheinbar laufen die Beiden den Weg mit ihrem Hund mehrmals im Monat um fit zu bleiben. Sie erklären uns, dass wir hier Nala problemlos von der Leine lassen können. In Norwegen gilt zwar eine generelle Leinenpflicht, aber hier beim Klettern brauchen wir ja freie Hände und es wird daher toleriert.
Wir freuen uns über Nalas neu gewonnen Freiheit und leinen sie ab. Dabei ignorieren wir das Wort „klettern“ und fragen nicht weiter nach. Die beiden Norwegerinnen scheinen zuversichtlich zu sein, dass Nala den Anstieg schafft. Wir verabschieden uns und gehen weiter bergauf.
Nach einer Weile wendet sich der Weg direkt in Richtung Gletscher und wir laufen parallel zu einem Berghang. Da in Norwegen jeder Berghang von kleinen Bächen und Flüssen zersetzt ist Furten wir konstant durch diese hindurch. An den tieferen Stellen wurden Alubrücken und Stege verlegt. Dank unserer festen Wanderschuhe kommen wir mit trockenen Füßen voran. Nur Nala genießt das kühle Wasser. Die Sonne ist mittlerweile sehr stark.
Immer wieder nutzen wir auch vormontierte Seile um Steile oder riskante Passagen zu überqueren. Dabei lernen wir Nala einfach laufen zu lassen. Ein Hund braucht einen anderen Weg als ein Mensch. Sie findet sicheren Tritt. Auch, wenn wir manchmal die Luft anhalten.
Wir kommen über eine kleine Kuppe und sehen eine Gruppe Wanderer, die es sich gemütlich gemacht haben. Der Aufstieg hat uns so beschäftigt, dass wir nie nach hinten geschaut haben. Unser Blick folgt dem der Wanderer und wir schauen hinter uns hinab ins Tal. Die Aussicht ist spektakulär. Erst jetzt wird uns klar in welch gigantischer Schlucht wir uns hier befinden. Mein Auge folgt dem Fluss bis hinunter in den See. Auch wir machen hier eine kleine Pause und genießen die Aussicht.
Ein Schluck aus der Trinkflasche und wir teilen uns einen Müsliriegel. Dann geht es weiter. Die Schlüsselstelle der Tour kann nicht mehr weit sein. Die beiden Norwegerinnen haben uns erzählt, dass der restliche Weg zum Gletscher danach kein Problem mehr sei.
Wir hören die kleine Versammlung von Menschen schon bevor wir die Steile Wand sehen. Seile ziehen sich den blanken Fels hinauf. Ein Wanderer hangelt sich daran hoch. Ich schätze die Wand auf 10 Meter Höhe. Wie sollen wir da nur Nala hochbekommen.
Jetzt sind wir dran. Nala weiß schon worum es geht und versucht immer als erstes die Hindernisse zu nehmen. Aber sie findet einfach keinen Halt. Ich lege die Kameraausrüstung bei Seite und schaue mir den Felsen genauer an. Nur die ersten 3 Meter scheinen fast senkrecht zu sein. Danach ist der Fels so steil wie alle anderen, die Nala schon erklommen hat.
Ich überlege ob ich Nala die ersten drei Meter Starthilfe geben kann. Ob sie an mir nach oben klettert? Ich lege mich gegen den Felsen und Strecke meine Arme nach oben.
Und als ob sie meine Gedanke lesen kann nimmt Nala Anlauf und springt mit den Pfoten in meine Hände, die ich an den Felsen gepresst habe. Es geht viel zu schnell, dass ich wirklich Details des Vorgehen hätte erkennen können, aber noch drei Mal berühren Nalas Pfoten die Felswand und sie drohnt mit einem fetten Grinsen 10 Meter über uns. Geschafft.
Mein Herz bollert. Erleichterung macht sich in mir breit. In Elfis Gesicht kann ich lesen, dass es ihr ähnlich geht. Jetzt müssen wir nur noch hinterher.
Die beiden Norwegerinnen sollen Recht behalten. Der weitere Weg war kein Problem mehr und so stehen wir kurze Zeit später vor dem Gletscher und genießen unseren Erfolg.
Ich nehme einen Schluck von dem Gletscherwasser und genieße den herrlichen Geschmack. Das Eis verursacht einen starken Fallwind. Nach einer ausgiebigen Foto und Video Session verziehen wir uns daher hinter einen Felsen und teilen uns den zweiten Müsliriegel. Obwohl wir hier halbwegs geschützt sind flattern Nalas Ohren im Wind auf und ab.
Der Abstieg erfolgt über den gleichen Weg zurück. Ich hänge mir die Actionkamera an die Schulter und packe Stativ und SLR Kamera in den Rucksack. Für den Abstieg brauche ich freie Hände.
Dann geht alles sehr schnell. Nala ist eigentlich immer 10 Meter vor uns. Bis wir an einem Hindernis ankommen sehen wir in der Regel nur noch wie Nala es schon überwunden hat. Selbst die 10 Meter Mauer nimmt Nala ohne zu zögern in Angriff. Die letzten 3 Meter sind nur ein großer Sprung.
Nach jedem überwundenen Hindernis dreht sie sich rum und wir bekommen, den „Wo bleibt ihr den“ Blick gepaart mit einem „Ich hab euch doch gezeigt wie einfach es geht“ Blick von Nala zugeworfen. Sie hat sichtlich ihren Spaß. Auch Elfi und ich hängen lachend in den Seilen. Die frische Luft macht gute Laune.
Geschafft, aber entspannt kommen wir an unserem Auto an. Auf dem Weg zum Campingplatz organisieren wir uns noch einen Lachs zum grillen. Nala hat in dieser Nacht so tief geschlafen wie noch nie. 😉
Infos für Hundebesitzer
Der Weg ist eine Herausforderung für Mensch und Hund, aber auch ein riesiger Spaß. Wasser gibt es mehr als genug. Wir haben unterwegs einen Hund mit Schuhen getroffen. Wir würden dies trotz des Felsen allerdings nicht empfehlen. Trittsicherheit ist wichtiger. Nala hatte keinerlei Probleme mit ihren Pfoten nach der Tour über den blanken Fels. Sollte eure Hund den Leinenkoller haben, dann könnt ihr ihm hier einen leinenfreien Tag schenken.
Fazit
Dies war eine der schönsten und spannendsten Touren, die wir bis jetzt in Skandinavien gemacht haben. Der Wahnsinn.